Was bisher geschah - Zusammenfassung von Neronia IV:
Im Grenzland


Geehrte Parganas,

ich weiß, es ist ein seltenes Vorkommnis, dass wir diese Art der Kommunikation wählen. Doch unsere Aufgaben an der Front lassen, wie Ihr wisst, ein Treffen derzeit nicht zu. Und ich wiederum weiß, dass Euch dringend interessiert, was die Verhandlungen und langen Gespräche mit den desertierten Offizieren der Dunklen Armee ergeben haben. Ich vertraue selbstverständlich darauf, dass Ihr die üblichen Vorsichtsmaßnahmen ergreift, wenn Ihr diese mentale Botschaft empfangt. Der König hat darauf bestanden, dass alle Parganas von der Sache erfahren. Und letzten Endes ist diese Art der Kommunikation immer noch sicherer, als Botenreiter zu schicken…

Es sind Erfolgsmeldungen und beunruhigende Nachrichten zugleich, von denen ich Euch nach langen Gesprächen mit den drei Deserteuren berichten kann. Erstens ist es eine Bestätigung für unsere Erfolge, dass sie übergelaufen sind: Wir haben es tatsächlich geschafft, an der Front ein Patt herbeizuführen. So zermürbend dieser Krieg zurzeit für uns auch ist: Der Moral der Dunklen Armee setzt er mindestens ebenso zu. Seitdem wir ihre Taktik, mit verdeckten Operationen alte magische Stätten hinter unseren Linien anzuzapfen, enttarnt haben, ist ihr Vormarsch aufgehalten. Und ihre Krieger sind ohne die Energie dieser dunklen Macht weit leichter zu besiegen. Sie erleiden stärkere Verluste. Das sorgt für Unruhe unter den Truppen unseres Feindes – ihnen hatte man einen kurzen Krieg und einen schnellen Sieg versprochen. Bisher durch den raschen Vormarsch unterdrückte Ressentiments der Offiziere und ehemaligen Klanführer gegenüber der mächtigen Priesterschaft brechen nun nach und nach auf. Dem begegnen die Hohepriester und die direkten Untergebenen des Königs von Skurr (so heißt ihr Heimatland) mit „Säuberungen“ – wer den Mund aufmacht, wird durch treuere Diener ersetzt.

Das war der Grund, warum die Deserteure mit ihren Truppen in unsere Reihen übergelaufen sind. Sie machen auch düstere Andeutungen darüber, dass ihnen nicht mehr ganz geheuer ist, was die Priesterschaft im Schilde führt. Es ist noch nichts konkretes, aber vielleicht steckt mehr hinter der Invasion der Dunklen Armee als wir bisher ahnten. Doch gehen wir einen Schritt zurück, zu den Verhandlungen, die ich und Graf Kildran im Grenzland geführt haben.

Schon, als die drei Deserteure ankamen, vermuteten sie, dass der Priesterorden (er scheint mir fast eine Art Geheimdienst zu sein) schon von dem Treffen Wind bekommen habe. Das bestätigte sich, jedoch auf andere Weise als zunächst gedacht: Während die Verhandlungen liefen, versuchten die Agenten der Dunklen Armee, ein altes Dämonentor zu öffnen, das es einst in der Gegend gab. Damit wollten sie wohl zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Uns und die Deserteure töten und zugleich eine Bresche in die Frontlinien schlagen. Wie sich herausstellte, war dieser abgelegene Landstrich der Standort der legendären Magier- Akademie „Academia Ars Nobillimus“, die der Legende nach kurz nach der Besiedlung Neronias entstanden war, aber vor hunderten von Jahren durch eine schreckliche Katastrophe vernichtet wurde. Der Untergang des Kollegs ist offenbar durch das besagte Dämonentor verursacht worden: Ein in jeder Hinsicht überforderter Lehrling der Akademie hatte sich in eine Intrige zwischen den Meistern verwickeln lassen – aber das würde an dieser Stelle wohl zu weit führen. Leider konnten damals die letzten überlebenden Magier das Portal nicht mehr vollständig schließen, und so schlummerte es über all die Jahre unter den Ruinen des Kollegs. Glücklicherweise gelang es unseren Leuten, die Pläne der Dunklen Armee rechtzeitig zu durchkreuzen und das Portal zu schließen – für immer.

Eine andere Gefahr drohte den Verhandlungen allerdings aus unseren eigenen Reihen: Eine Gruppe von Hardlinern, die sich um den Grafen Cedric scharten, machten Stimmung gegen die Deserteure und versuchten, die Verhandlungen zu stören.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Deserteure das Vertrauen aller genießen. Doch die Kampfkraft ihrer Truppen ist ebenso wertvoll für uns wie die vielen Informationen, die sie uns über den Feind geben können. Ich und die anderen am Hof verbliebenen Parganas sind gerade dabei, auf der Basis dieser Informationen neue Strategien zu entwickeln. Außerdem könnten die Deserteure uns helfen, andere Regimenter zum Überlaufen zu bewegen.

Mehr werde ich Euch bald berichten können. Den jüngsten Berichten von der Front zufolge ist es an der Front in den vergangenen Wochen offenbar deutlich ruhiger geworden. Vielleicht können ja einige von Euch hierher zum Hof reisen, wenn der junge Prinz bald seine Weihe erhält – dann bleibt sicher mehr Zeit, um Erfahrungen auszutauschen. Meidet auf Eurer Reise die ländlichen Regionen: Auf den Dörfern grassiert in jüngster Zeit ein seltsames Fieber.

Parganas Silvon